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Erbschein: Die Einziehung des Erbscheins durch das Nachlassgericht
Die Einziehung des Erbscheins durch das Nachlassgericht
Gemäß § 2361 Abs. 3 BGB in Verbindung mit § 26 FamFG ist das Nachlassgericht verpflichtet, den Erbschein einzuziehen, wenn es Kenntnis von der Möglichkeit erhält, dass der erteilte Erbschein unrichtig ist.
Diese Verpflichtung ergibt sich zwingend aus der Tatsache, dass der Erbschein dem Schutz des guten Glaubens im Rechtsverkehr dient und zur Folge hat, dass Verfügungen von nicht berechtigten Personen, die aus dem Erbschein zu Unrecht als Erben hervorging, wirksam sind.
Die Einziehung des Erbscheins ist geboten, um zu verhindern, dass eventuell nicht berechtigte Personen als sogenannte Scheinerben über den Nachlass verfügen.
Fraglich ist allerdings, in welchem Umfang das Nachlassgericht verpflichtet ist, die Frage zu klären, ob der erteilte Erbschein unrichtig ist. Weiter stellt sich die Frage, in welchem Grad das Nachlassgericht von der Unrichtigkeit des erteilten Erbscheins überzeugt sein muss, um den Erbschein einziehen zu können.
Als Grundsatz gilt, dass das Gericht die notwendigen Ermittlungen einleiten muss, wenn es von Tatsachen Kenntnis erlangt, die Zweifel an der Richtigkeit des Erbscheins aufkommen lassen. Dies gilt insbesondere für behauptete Umstände, die Zweifel an der Testierfähigkeit des Erblassers, der Echtheit des Testamentes oder der Unterschrift des Erblassers aufkommen lassen. Führen die Ermittlungen dazu, dass die Überzeugung des Gerichts von der Richtigkeit des Erbscheins über einen bloßen Zweifel hinaus erschüttert wird, muss der Erbschein eingezogen werden.
Zuständiges Gericht für die Einziehung des Erbscheins
Für die Einziehung des Erbscheins ist das Nachlassgericht zuständig, welches den Erbschein erlassen hat.
Dies gilt auch dann, wenn der Erbschein aufgrund eines Verfahrensfehlers von einem nicht zuständigen Nachlassgericht erlassen wurde. In diesem Fall müsste der Antrag auf Einziehung des Erbscheins, der beim ursprünglich zuständigen Nachlassgericht gestellt wird, an das Nachlassgericht verwiesen werden, welches irrtümlich den Erbschein trotz Unzuständigkeit erlassen hat.
Die Voraussetzungen für die Einziehung des Erbscheins
Als Voraussetzung für die Einziehung des Erbscheins knüpft der Gesetzgeber an zwei Umstände an. Zum einen muss der Erbschein bereits erteilt sein, d.h. der Erbschein muss dem Antragsteller bereits übergeben worden sein. Zweitens muss der Erbschein unrichtig sein.
Bezüglich der zweiten Voraussetzung ist inhaltlich zwischen der formellen Fehlerhaftigkeit des Erbscheins und dessen materieller Unrichtigkeit zu unterscheiden.
Materielle Unrichtigkeit des Erbscheins
Ist der erteilte Erbschein materiell unrichtig, d.h. gibt er die tatsächliche Erbfolge nicht wieder, so ist der Erbschein inhaltlich falsch und folglich einzuziehen.
Erbscheine geben die tatsächliche Erbfolge dann nicht richtig wieder, wenn das Nachlassgericht im Verfahren auf Erteilung des Erbscheins die letztwillige Verfügung des Erblassers falsch interpretiert hat und folglich die vom Erblasser gewollte Erbfolge aus dem Erbschein nicht hervorgeht. Aus diesem Grunde wird der Antrag auf Feststellung des Erbrechts im Rahmen einer Erbenfeststellungsklage beim zuständigen Zivilgericht regelmäßig mit einem Antrag auf Einziehung des Erbscheins verbunden, wenn bereits ein Erbschein erlassen wurde, der das streitige Erbrecht wiedergibt.
Weiter werden Erbscheine häufig dadurch materiell unrichtig, dass nach Erlass des Erbscheins eine letztwillige Verfügung des Erblassers dem Nachlassgericht bekannt wird, die inhaltlich dem Erbschein widerspricht. In diesem Fall muss der Erbschein selbstverständlich ebenfalls vom Nachlassgericht eingezogen werden, da das aus dem Erbschein hervorgehende Erbrecht nicht dem tatsächlichen Willen des Erblassers entspricht.
Eine weitere Fehlerquelle kann sich aus Anordnungen des Erblassers ergeben, die zu einer Einschränkung des Erbrechts führen. Hierzu zählen insbesondere die Anordnung der Vor- und Nacherbschaft und der Testamentsvollstreckung. Gehen diese Einschränkungen aus dem Erbschein nicht hervor, so ist der Erbschein ebenfalls inhaltlich falsch und muss eingezogen werden.
Die formelle Fehlerhaftigkeit des Erbscheins
Der Erbschein ist einzuziehen, wenn er aufgrund eines Verstoßes gegen die sogenannte funktionelle Zuständigkeit im Erbscheinsverfahren erlassen wurde. Dies ist immer dann der Fall, wenn ein Rechtspfleger den Erbschein erlassen hat, obwohl sich die Erbfolge aus einer letztwilligen Verfügung ergibt, die dem Nachlassgericht zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegt.
Für die Entscheidung über die Erteilung des Erbscheins auf der Grundlage einer letztwilligen Verfügung des Erblassers ist ausschließlich der Richter beim Nachlassgericht zuständig und nicht der Rechtspfleger. Der Rechtspfleger ist zur Entscheidung über die Erteilung des Erbscheins nur in den Fällen befugt, bei denen sich die Erbfolge aus den gesetzlichen Vorschriften ergibt und nicht auf einer letztwilligen Verfügung des Erblassers beruht.
Liegt die letztwillige Verfügung des Erblassers zum Zeitpunkt der Entscheidung durch den Rechtspfleger dem Nachlassgericht aber nicht vor, so wird der vom Rechtspfleger erlassene Erbschein formell nicht nachträglich fehlerhaft, wenn nach Erteilung des Erbscheins eine Verfügung des Erblassers von Todes wegen bekannt wird. In diesem Fall ist von einer ev. materiellen Unrichtigkeit des Erbscheins auszugehen (siehe oben).
Weiter ist der Erbschein wegen formeller Fehlerhaftigkeit einzuziehen, wenn der Erbschein von einem örtlich unzuständigen Nachlassgericht erlassen wurde. In diesem Fall ist die Einziehung erforderlich, da ansonsten die Gefahr besteht, dass 2 widersprüchliche Erbscheine existieren, wenn beim eigentlich zuständigen Nachlassgericht ein weiterer Erbscheinsantrag gestellt wird.
Erteilt das Nachlassgericht einen Erbschein ohne Antrag oder einen Erbschein der vom beantragten Erbschein inhaltlich abweicht, so führt dies ebenfalls zur formellen Fehlerhaftigkeit des erteilten Erbscheins. Auch in diesen Fällen ist der Erbschein einzuziehen.