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Testierfähigkeit: Anhaltspunkte für die Testierunfähigkeit des Erblassers
Fraglich ist, wie die Vermutung widerlegt werden kann, dass der Erblasser zum Zeitpunkt der Errichtung seines Testamentes oder einer anderen letztwilligen Verfügung testierfähig war.
Ausgangspunkt für die Widerlegung der Vermutung der Testierfähigkeit sind immer konkrete Lebensumstände oder Verhaltensauffälligkeiten des Erblassers. Hierzu zählen insbesondere die folgenden Gesichtspunkte:
1) Zeitliche und räumliche Desorientierung des Erblassers
2) Starke Stimmungsschwankungen und unberechenbares soziales Verhalten des Erblassers
3) Anzeichen für das Vorliegen einer fortgeschrittenen Alters Demenz
4) Der Erblasser stand unter Betreuung oder war gegebenenfalls untergebracht
5) Der Erblasser war psychisch oder neurologisch erkrankt
6) Der Erblasser war alkoholabhängig
7) Der Erblasser litt unter Wahnvorstellungen
8) Der Erblasser musste Medikamente einnehmen, die psychische oder neurologische Nebenwirkungen mit sich bringen können
9) Der Erblasser war aufgrund einer psychischen Erkrankung schwerbehindert
10) Der Erblasser hatte aufgrund einer psychischen Erkrankung eine Pflegestufe erlangt
Die vorstehende Aufzählung ist nicht abschließend, sondern zeigt lediglich häufig auftretende Gesichtspunkte auf, die in vielen Fällen einen Rückschluss auf eine eventuelle Testierunfähigkeit des Erblassers zulassen.
Von der Testierfähigkeit des Erblassers ist trotz der vorstehenden Gesichtspunkte auszugehen, wenn der Erblasser noch über die Fähigkeit verfügt, sein Leben selbst zu organisieren und in der Lage ist, sein Vermögen selbstständig zu verwalten. Dabei kommt es entscheidend darauf an, dass der Erblasser in der Regel zur realistischen Urteilen gelangt und auch in unerwarteten oder ungewohnten Situationen ein vernünftiges Verhalten an den Tag legt. Unter der vorstehenden Voraussetzung ist davon auszugehen, dass die aufgezählten Gesichtspunkte sich auf die Testierfähigkeit des Erblassers nicht auswirken.
Die Frage der Testierfähigkeit des Erblassers spielt regelmäßig im Rahmen von Erbscheinsverfahren eine erhebliche Rolle. Bezogen auf diese Erbscheinsverfahren ist zu beachten, dass diejenigen, die sich auf die Testierunfähigkeit des Erblassers berufen im Erbscheinsverfahren lediglich die Umstände und Gesichtspunkte dem Gericht vortragen müssen, die geeignet sind aus Sicht des Gerichts die Testierfähigkeit des Erblassers in Frage zu stellen. Werden solche Umstände und Gesichtspunkte dem Nachlassgericht im Erbscheinsverfahren vorgetragen, so muss das Nachlassgericht von Amts wegen die Frage klären, ob der Erblasser tatsächlich testierunfähig war.