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OLG München
Beschluss vom 26.10.2011
34 Wx 372/11
Beschlusstenor:
Auf die Beschwerde der Beteiligten wird der Beschluss des Amtsgerichts Neu-Ulm – Grundbuchamt – vom 6. Mai 2011 aufgehoben. Das Grundbuchamt wird angewiesen, das an dem im Grundbuch des Amtsgerichts Neu-Ulm für V. Bl. 476 unter Nr. 1 eingetragenen Grundstück in der Zweiten Abteilung (Nr. 1) vermerkte Vorkaufsrecht für die Abkömmlinge des Landwirts () zu löschen.
Beschlussgründe:
Die Beteiligte ist Miteigentümerin zu 1/2 eines Grundstücks, das ihr mit notariellem Überlassungsvertrag vom 1.9.2009 von ihrer Großmutter überlassen worden war. Sie wurde am 24.9.2009 im Grundbuch als Eigentümerin eingetragen und übertrug mit Vertrag vom 31.3.2011 den anderen Miteigentums-Hälfteanteil an ihren Ehemann.
In der Zweiten Abteilung des Grundbuchs ist unter der lfd. Nr. 1 eingetragen ein Vorkaufsrecht für alle Verkaufsfälle für den Landwirt … ., nach dessen Ableben für dessen Abkömmlinge gemeinschaftlich. Es wurde am 18.5.1943 bewilligt und am 2.2.1944 im Grundbuch eingetragen. Zwischen dem 9.8.2000 und dem 18.8.2000 bewilligten fünf als Abkömmlinge ausgewiesene Personen die Löschung des Vorkaufsrechts, wobei in den jeweiligen Urkunden diese sowie die Enkelin … als Abkömmlinge aufgeführt waren. Dem Grundbuchamt lagen zum damaligen Zeitpunkt die Nachlassakten vor. Der Rechtspfleger vermerkte, dass es sich bei diesen Personen um alle \”Abkömmlinge\” handle. Am 26.10.2009 bewilligte auch … die Löschung. Im Grundbuch wurde das gegenständliche Vorkaufsrecht bezüglich dieser Personen am 31.8.2000 bzw. am 28.10.2009 gelöscht. Das Vorkaufsrecht für … wurde bereits am 30.7.1975 nach dessen Tod gelöscht. Derzeit noch eingetragen ist das Vorkaufsrecht für \”dessen Abkömmlinge gemeinschaftlich\”.
Unter Berufung auf die im Überlassungsvertrag vom 1.9.2009 enthaltene Vollmacht hat der Notar unter dem 23.3.2011 die komplette Löschung des Vorkaufsrechts beantragt. Das Grundbuchamt hat den Antrag mit Beschluss vom 6.5.2011 zurückgewiesen, da das Vorkaufsrecht zugunsten der Abkömmlinge von …, also sämtlicher in absteigender Linie verwandten Personen, eingeräumt sei. Eine Einschränkung lediglich zugunsten der Kinder von … könne nicht erkannt werden.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten, der das Grundbuchamt nicht abgeholfen hat.
Die Beschwerde ist – ohne dass dies ausdrücklich erklärt zu werden brauchte – nur für die Beteiligte zu 1 eingelegt. Die weiteren Beteiligten an der Beurkundung vom 1.9.2009 sind nicht beschwerdebefugt, weil sie durch das Vorkaufsrecht nicht (mehr) beeinträchtigt sind. Es ist nicht davon auszugehen, dass der Notar eine unzulässige Beschwerde einlegen wollte. Die Beschwerde ist auch sonst (§ 71 Abs. 1, § 73 GBO) zulässig; sie hat in der Sache Erfolg. Die beanstandete Eintragung ist ihrem Inhalt nach unzulässig und deshalb von Amts wegen zu löschen (§ 53 Abs. 1 Satz 2 GBO).
Die derzeitige Eintragung ist in sich widersprüchlich. Es ist nämlich einerseits das Vorkaufsrecht für die Abkömmlinge des … (noch) eingetragen. Andererseits ist das Vorkaufsrecht bezüglich sämtlicher Berechtigter am 31.8.2000 bzw. am 22.10.2009 bereits gelöscht worden. Die Löschung haben sämtliche Berechtigte bewilligt. Weitere Berechtigte sind nicht vorhanden. Ganz fernliegende Möglichkeiten sind insoweit nicht zu berücksichtigen. Die Eintragung vermittelt jedoch den Eindruck, es gebe noch weitere Berechtigte. Um eine Berichtigung gemäß § 22 GBO handelt es sich nicht, da eine solche voraussetzt, dass das Grundbuch mit der wirklichen Rechtslage nicht im Einklang steht (vgl. Demharter GBO 27. Aufl. § 22 Rn. 4). Es sind aber gerade keine Vorkaufsberechtigten fälschlich eingetragen. Die Eintragung eines Vorkaufsrechts ohne Berechtigte ist jedoch ihrem Inhalt nach unzulässig und daher gemäß § 53 Abs. 1 Satz 2 GBO zu löschen.
Im Einzelnen ergibt sich dies aus folgenden Überlegungen:
a) Grundbucherklärungen, zu denen das ursprünglich für … und seine Abkömmlinge eingetragene Vorkaufsrecht zählt, sind der Auslegung (§ 133 BGB) zugänglich. Allerdings ist die Auslegung nur beschränkt möglich. Hierbei ist auf Wortlaut und Sinn der Erklärung abzustellen, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung der Erklärung ergibt. Außerhalb der Eintragungsbewilligung liegende Umstände dürfen nur insoweit herangezogen werden, als sie für jedermann ohne weiteres jederzeit erkennbar sind (etwa BGHZ 113, 374/378; vgl. Demharter § 19 Rn. 28 m.w.N.).
b) Eingetragen war ein dingliches Vorkaufsrecht (§ 1094 BGB) für eine natürliche Person und – nach deren Ableben – für deren \”Abkömmlinge\” ohne Einschränkung, also auch für damals noch nicht geborene Abkömmlinge, zu denen, wie das Grundbuchamt zu Recht ausgeführt hat, nicht nur die Kinder des ursprünglich Berechtigten, sondern auch deren leibliche Kinder und Kindeskinder (vgl. § 1589 BGB) gehören. Die Abkömmlinge sind in der Bewilligung auch nicht etwa mit Namen genannt oder sonstwie einschränkend bezeichnet. Bereits deshalb kommt eine Auslegung dahin, dass (nur) die zum Zeitpunkt der Bewilligung schon vorhandenen Abkömmlinge berechtigt sein sollten, nicht in Betracht.
c) Die dem Schuldrecht zugehörigen Vorschriften der §§ 328 ff. BGB sind auf die Übertragung beschränkter dinglicher Rechte nicht anwendbar (Senat vom 24.11.2010, 34 Wx 103/10 = RNotZ 2011, 245; vgl. Palandt/Grüneberg BGB 70. Aufl. Einf v § 328 Rn. 9 m.w.N.). Jedenfalls für die noch nicht geborenen Abkömmlinge konnte deshalb ein dingliches Vorkaufsrecht nicht bestellt werden. Dessen Eintragungsfähigkeit scheidet ebenso aus, weil die noch nicht geborenen Abkömmlinge in diesem Fall nicht materielle Rechtsträger sein können (Meikel/Böttcher GBO 10. Aufl. Vor GBO Rn. 160 m.w.N.).
d) Die Formulierung \”nach dessen Ableben für dessen Abkömmlinge\” lässt sich jedoch zwanglos so verstehen, dass das an sich nicht vererbliche (§ 473 Satz 1 BGB) Vorkaufsrecht vererblich sein sollte, allerdings nur an Abkömmlinge des Berechtigten. Ob letztere Einschränkung für das dingliche Vorkaufsrecht möglich ist (so LG Würzburg DNotZ 1992, 319; vgl. Staudinger/Mader BGB Neubearb. 2004 § 473 Rn. 8), kann offen bleiben. Hält man mit dem Landgericht Stuttgart (BWNotZ 1974, 85) eine derartige Einschränkung für unzulässig, wäre die Eintragung schon deshalb als inhaltlich unzulässig (§ 53 Abs. 1 Satz 2 GBO) zu löschen. Gleiches gilt aber auch, wenn man davon ausgeht, dass das Vorkaufsrecht den Erben des ursprünglichen Berechtigten zustand, soweit sie Abkömmlinge sind oder waren. Denn diese haben die Löschung bewilligt. Dass sämtliche Abkömmlinge die Löschung bewilligt haben, ergibt sich aus der Feststellung des Grundbuchamts im Jahre 2000 anhand der Nachlassakten und dem entsprechenden Vermerk in den Grundakten. Der noch verbliebene Abkömmling Christine S. hat im Jahre 2009 die Löschung bewilligt. Da das Vorkaufsrecht grundsätzlich nicht übertragbar ist und hier nichts anderes bestimmt ist, war … zu diesem Zeitpunkt auch noch Berechtigte des Vorkaufsrechts. Da dingliche Geschäfte zugunsten Dritter nicht in Betracht kommen, scheiden andere – spätere – Abkömmlinge als Berechtigte aus.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.