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Auch wer durch den Tod einer ihm nahestehenden Person psychisch belastet ist, kann bei der Erfüllung eines Vermächtnisses in Verzug geraten
(Vermächtnis Belastung Verzug)
Beschluss des LG Heilbronn vom 18.07.2022
Aktenzeichen: I 3 O 117/23
(Vermächtnis Belastung Verzug)
Kurze Zusammenfassung der Entscheidung
Die Alleinerbin war aufgrund einer entsprechenden testamentarischen Anordnung der Erblasserin verpflichtet, innerhalb eines bestimmten Zeitraums ein Geldvermächtnis zu erfüllen.
Der Vermächtnisnehmer forderte die Erbin auf, bis zu einem bestimmten Zeitpunkt das Vermächtnis zu erfüllen. Seitens der Erbin wurde der Vermächtnisnehmer daraufhin gebeten, seine Kontoverbindung mitzuteilen. Diese Aufforderung kam der Vermächtnisnehmer nach.
Dennoch erfolgte die Erfüllung des Vermächtnisses nicht in dem von der Erblasserin bestimmten Zeitraum. Daraufhin beauftragte der Vermächtnisnehmer einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen. Dieser erhob zur Durchsetzung des Vermächtnisses Klage, nachdem eine weitere außergerichtliche Zahlungsaufforderung ohne Erfolg geblieben war.
Nach Anhängigkeit der Klage erfüllte die Erbin das Vermächtnis. Die Erfüllung erfolgte bevor die Klage durch Zustellung rechtshängig wurde. Aufgrund der Zahlung nahm der Vermächtnisnehmer die Klage zurück. Im Weiteren musste das Gericht über die Verfahrenskosten entscheiden.
Dem Kostenerstattungsanspruch des Vermächtnisnehmers hielt die Erbin entgegen, dass sie durch den Tod der Erblasserin psychisch so stark belastet gewesen sei, dass sie zur Vermächtniserfüllung nicht in der Lage war. Ihr sei es nicht möglich gewesen, ihrer Bank eine entsprechende Anweisung zu erteilen.
Das Landgericht Heilbronn konnte den von der Erbin vorgelegten medizinischen Unterlagen nicht entnehmen, dass diese aufgrund des Todes der Erblasserin psychisch so stark belastet war, dass sie zu Vermächtniserfüllung vor Klageerhebung nicht in der Lage war. Da diesbezüglich die notwendigen Nachweise seitens der Erblasserin nicht geführt werden konnten, ging das Landgericht Heilbronn in seiner Entscheidung davon aus, dass die Erbin zum Zeitpunkt der Klageerhebung sich hinsichtlich der Vermächtniserfüllung in Verzug befand. Folglich war die Erbin dem Vermächtnisnehmer gegenüber zur Kostenerstattung verpflichtet.
(Vermächtnis Belastung Verzug)
(Vermächtnis Belastung Verzug)
Tenor:
1) Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
2) Der Streitwert wird auf 10.000,00 € festgesetzt.
Urteilsgründe:
I. Die Parteien streiten über die Kostentragungspflicht nach Rücknahme der Klage vor der Zustellung.
Die Beklagte ist die Alleinerbin der am 1. Januar 2023 verstorbenen XXXX XXX (i.F. auch: Erblasserin).
Die Erblasserin ordnete testamentarisch ein Geldvermächtnis zugunsten der Klägerin in Höhe von 10.000,00 € an. Die Klägerin hat das Vermächtnis angenommen.
Mit Schreiben vom 13. April 2023 forderte die Klägerin die Beklagte zur Auszahlung des Vermächtnisses auf. Die Beklagte antwortete darauf mit Schreiben vom 16. April 2023.
Eine weitere Zahlungsaufforderung der Klägerin erfolgte mit Anwaltsschriftsatz vom 8. Mai 2023 unter Fristsetzung von 10 Tagen.
Die Klägerin reichte am 24. Mai 2023 eine Klage, gerichtet auf Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 10.000,00 € nebst Zinsen seit dem 12. Mai 2023, ein.
Am 26. Mai 2023 wurde auf dem Konto der Klägerin der Vermächtnisbetrag von 10.000,00 € gutgeschrieben.
Mit Schriftsatz vom 03.06.2023 hat die Klägerin die Klage zurückgenommen und beantragt, der Beklagten die Kosten aufzuerlegen.
Die Beklagte beantragt, die Kosten der Klägerin aufzuerlegen. Sie sei nicht in Verzug geraten, da die Leistung zunächst krankheitsbedingt und damit infolge eines Umstands unterblieben sei, den die Beklagte nicht zu vertreten habe.
Der Tod der Erblasserin habe sie, die Beklagte, sehr aufgewühlt, geschmerzt und psychisch sehr belastet. Ihr Ehemann sei im Februar 2003 lebensbedrohlich erkrankt. Sie leide seither an Schlaflosigkeit, Konzentrationsstörungen und Angst und sei deswegen in Behandlung. Deshalb sei sie, um die Auszahlung des Vermächtnisses an die Klägerin zu veranlassen, auf die Mithilfe der Ehefrau ihres Neffen, angewiesen gewesen, die sie am 25. Mai 2023 zur Bankfiliale haben bringen und begleiten können.
Wegen der Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst den beigefügten Anlagen verwiesen.
Der Rechtsstreit wurde mit Beschluss vom 12. Juni 2023 auf den Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
II. Die Beklagte hat gemäß § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Der Anlass der Klage ist vor Rechtshängigkeit weggefallen, da die Beklagte nach Anhängigkeit, aber vor Zustellung der Klage, den Vermächtnisbetrag von 10.000,00 € an die Klägerin bezahlt hat. Die Klägerin hat daraufhin die Klage zurückgenommen.
Es entspricht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands billigem Ermessen, die Kosten der Beklagten aufzuerlegen.
Die Beklagte befand sich mit der Erfüllung des Vermächtnisses, also der Zahlung von 10.000,00 €, in Verzug. Sie geriet durch die Zahlungsaufforderung der Klägerin per E-Mail vom 13. April 2023, allerspätestens durch die Zahlungsaufforderung im Schreiben des Klägervertreters vom 8. Mai 2023, in Zahlungsverzug. Der Vermächtnisanspruch war unstreitig fällig. Aus der Antwort-E-Mail der Beklagten vom 16. April 2023 ergibt sich, dass sie die Zahlungsverpflichtung anerkannt hat. Sie fragte lediglich nach der Bankverbindung der Klägerin. Diese wurde ihr umgehend am 17. April 2023 mitgeteilt.
Der Verzugseintritt wurde nicht durch etwaige krankheitsbedingte Einschränkungen der Beklagten oder durch die Erkrankung ihres Ehemannes verhindert.
Die Erblasserin verstarb am 1. Januar 2023. Bis zur Zahlungsaufforderung der Klägerin am 13. April 2023 waren also nach dem Erbfall knapp 3,5 Monate vergangen, zum Zeitpunkt der Zahlungsaufforderung vom 8. Mai 2023 waren mehr als vier Monate verstrichen.
Der Ehemann der Beklagten war bereits am 10. März 2023 aus dem Krankenhaus entlassen worden, wie sie aus dem Entlassbrief vom 8. März 2023 ergibt; die stationäre Reha-Behandlung war am 6. April 2023 beendet. Es ist deshalb nicht ersichtlich, warum es der Beklagten nicht möglich gewesen sein sollte, eine Überweisung vorzunehmen. Insbesondere ist nicht erkennbar, weshalb es ihr trotz der psychischen Belastungen, die von ihr geschildert werden, nicht möglich gewesen sein sollte, eine Überweisung zu tätigen. Aus dem von ihr vorgelegten ärztlichen Attest vom 3. Juli 2023 ergibt sich nicht, dass sie dies nicht hätte erledigen können.
Die Beklagte hat auch nicht in ihrer E-Mail vom 16. April 2023 zu erkennen gegeben, dass sie nicht in der Lage, eine Überweisung zu tätigen.
Die Fristsetzung in dem Anwaltschreiben der Klägerin vom 8. Mai 2023 war nicht zu kurz.
(Vermächtnis Belastung Verzug)
(Vermächtnis Belastung Verzug)