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Beschluss des OLG Hamm vom 12.11.2013
Aktenzeichen: 15 Wx 43/13
Kurze Zusammenfassung der Entscheidung:
Im vorliegenden Fall bestand eine Erbengemeinschaft, der 2 Miterben angehörten. Im Eigentum der Erbengemeinschaft stand eine Immobilie. Die Erben vereinbarten in Form einer sogenannten Abschichtungsvereinbarung, dass ein Erbe gegen Zahlung einer Abfindung aus der Erbengemeinschaft ausscheidet. Die Unterschriften unter den Vertrag wurden notariell beurkundet. Der Vertrag selbst nicht.
Im Weiteren wurde die Vereinbarung dem Grundbuchamt vorgelegt, um die entsprechende Korrektur im Grundbuch zu veranlassen. Dies lehnte das Grundbuchamt ab und verlangte die Vorlage eines beurkundeten Vertrages. Hiergegen wandte sich die Beschwerde des Betroffenen.
Das Gericht gab den Beschwerdeführern recht. Durch eine Abschichtungsvereinbarung scheidet lediglich ein Mitglied aus der Erbengemeinschaft aus. Damit geht der Anteil des ausscheidenden Erben am Nachlass auf die übrigen Erben über. Es handelt sich somit um ein Geschäft zwischen den Mitgliedern der Erbengemeinschaft, das die Übertragung des Erbanteils des ausscheidenden Miterben auf die verbleibenden Miterben zum Gegenstand hat. Die Formvorschriften hinsichtlich eines Kaufvertrages über ein Grundstück sind auf diese Vertragsform nicht anwendbar. Das Grundbuchamt ist somit nicht befugt, die Vorlage einer notariellen beglaubigten Abschichtungsvereinbarung zu verlangen. Das Gericht wies das Grundbuchamt daher an, die notwendige Korrektur im Grundbuch vorzunehmen, ohne Vorlage einer notariell beurkundeten Ausfertigung der Abschichtungsvereinbarung.
(Erbengemeinschaft Abschichtungsvereinbarung Beurkundung)
Tenor:
Die angefochtene Zwischenverfügung wird aufgehoben.
(Erbengemeinschaft Abschichtungsvereinbarung Beurkundung)
Entscheidungsgründe:
I. Am 21.10.2012 verstarb der bisherige Grundstückseigentümer E. Die Beteiligten zu 2) und 3) beantragten am 12.01.2012 die Berichtigung des Grundbuchs aufgrund Erbfolge. Der Erblasser wurde ausweislich des Erbscheins des Amtsgerichts Herford vom 09.03.2012 beerbt von seiner Ehefrau, der Beteiligten zu 3), zu ½ Anteil und von seinen Töchtern, den Beteiligten zu 1) und 2), zu je ¼ Anteil. Das Grundbuchamt führte die Berichtigung am 14.03.2012 aus.
Am 20.12.2012/ 10.01.2013 schlossen die Beteiligten einen Abschichtungsvertrag mit ausschnittsweise folgendem Wortlaut:
\” § 1 Vertragsgegenstand
Die Beteiligten zu Ziffer 1. bis 3. bilden die Erbengemeinschaft nach Herrn E, verstorben am 21.10.2011.
Die Beteiligte zu 1. ist als Ehefrau zu ½ Erbin des Erblassers geworden, die Beteiligten zu Ziffer 2. und 3. als Töchter jeweils zu ¼.
Im Nachlass befindet sich als wesentlicher Gegenstand nur noch die Immobilie in K, eingetragen im Grundbuch von K 179 Gebäude- und Freifläche, Gartenland, Grünland M-Straße 180 in einer Gesamtgröße von 4.095 qm.
Es wurde ein Wertermittlungsgutachten durch das Sachverständigenbüro K eingeholt, das einen Verkehrswert von 258.000,- Euro ermittelte.
In Abteilung III des Grundbuchs ist eine Belastung eingetragen zu Gunsten der BHW Bank. Diese valutiert hinsichtlich der Vertragsnummer 0 383 153 4 52 zur Zeit in Höhe von 12.203,89 €, zum Vertrag Nr. …# in Höhe von 2.123,82 €.
Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Beteiligte zu Ziff. 3. als Nutznießerin des der Eintragung zugrunde liegenden Kreditvertrages diese Belastung zurückzuführen hat.
Darüber hinaus hat sich die Beteiligte zu Ziff. 3. in Höhe von insgesamt noch 10.550,45 € an Nachlassverbindlichkeiten zu beteiligen.
Die Erschienene zu Ziff. 3. hat die Absicht, gegen Abfindung aus der Erbengemeinschaft auszuscheiden.
§ 2 Ausscheidungsvereinbarung
1.
Die Erschienenen zu 1., 2. und 3. vereinbaren, dass die Erschienene zu Ziff. 3. zum
Ablauf des 31.12.2012 aus der Erbengemeinschaft ausscheidet und an Gewinnen und Verlusten von zum Zeitpunkt ihres Ausscheidens schwebenden Geschäften nicht partizipiert.
2.
Die Erschienenen zu 1. und 2. schulden der Erschienenen zu 3. als Gegenleistung für das Ausscheiden der Erschienenen zu 3. aus der Erbengemeinschaft
a) Zahlung eines Geldbetrages in Höhe von insgesamt 53.949,55 €.
Dieser Betrag ist zu zahlen 10 Tage nach Unterschriftsleistung unter diesen Vertrag an Rechtsanwalt I, … zu treuen Händen auf das Konto … mit der Auflage, dass zunächst die Kreditverbindlichkeiten der BHW, Vertrags-Nr. …in Höhe von derzeit 12.203,89 € und der Vertrags-Nr. … in Höhe von derzeit 2.123,83 € gezahlt werden und eine Löschungsbewilligung dieser Bank an die Beteiligte zu Ziff. 1 und Ziff. 2 übersandt wird. Erst nach Eingang dieser Löschungsbewilligung wird der Restbetrag an die Beteiligte zu Ziff. 3. ausgekehrt.
b) Freistellung von allen Nachlassverbindlichkeiten im Außenverhältnis
Die Erschienenen zu 1. und 2. stellen die Erschienene zu Ziff. 3. in analoger Anwendung des § 739 BGB von jedweden Ausgleichsansprüchen in Bezug auf den Nachlass des Herrn E frei.
§ 3 Grundbuchberichtigung
Die Vertragsteile beantragen die Berichtigung des Grundbuchs bezüglich des der Erbengemeinschaft verbleibenden Grundbesitzes K, eingetragen im Grundbuch von K 179 Gebäude- und Freifläche, Gartenland, Grünland M-Straße 180 in einer Gesamtgröße von 4.095qm im Grundbuch dahin, dass als Eigentümer nunmehr die Erschienenen zu 1. und 2. in Erbengemeinschaft eingetragen werden.
§ 4 Steuern
Die etwaige steuerliche Außenprüfung hat keine Wirkung auf die Höhe des Abfindungsanspruchs der Erschienenen zu 3.
§ 5 Erledigungserklärung
Mit Abschluss und Erfüllung dieser Vereinbarung sind sämtliche wechselseitigen Ansprüche der Beteiligten zu 3. und der verbleibenden Erbengemeinschaft nach E, verstorben am 21.10.2011, bekannt oder nicht bekannt, aus welchem Rechtsgrund auch immer, erledigt.
Ort, Datum J, 20.12.2012 Ort, Datum H, 10.01.2013
D F
Ort, Datum H, 10.01.2013
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Unter der UR-Nr. 1441/2012 beglaubigte die Notarin Dr. C in J am 20.12.2012 die Unterschrift der Beteiligten zu 1). Am 10.01.2013 beglaubigte der Notar B unter der UR-Nr. 10/2013 die Unterschriften der Beteiligten zu 2) und 3) und beantragte bei dem Amtsgericht Herford – Grundbuchamt – unter Überreichung des Abschichtungsvertrages und der notariellen Unterschriftsbeglaubigungen u.a. die entsprechende Grundbuchberichtigung.
Mit Zwischenverfügung vom 15.01.2013 hat das Amtsgericht beanstandet, die Abschichtungsvereinbarung bedürfe nach den Ausführungen im Handbuch zum Grundbuchrecht von Schöner/ Stöber (15. Aufl., Rdnr. 976b) der notariellen Beurkundung.
Gegen diese Zwischenverfügung richtet sich die Beschwerde. Zur Begründung ist ausgeführt, die geäußerte Rechtsauffassung widerspreche der Rechtsprechung des BGH. Die Unterschriftsbeglaubigungen seien ausreichend.
Durch Beschluss vom 24.01.2013 hat das Amtsgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und selbige dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die Beschwerde ist gem. § 71 Abs. 1 GBO statthaft und insgesamt zulässig.
Die Beschwerde ist bereits aus formellen Gründen begründet, weil das Grundbuchamt grundbuchverfahrensrechtlich eine Zwischenverfügung nicht hätte erlassen dürfen. Dieser Mangel allein führt zur Aufhebung der Zwischenverfügung.
Nach gefestigter Rechtsprechung ist der Erlass einer Zwischenverfügung nach § 18 Abs. 1 GBO nur zulässig, wenn sie zur Behebung eines mit rückwirkender Kraft heilbaren Hindernisses dienen soll. Die Zwischenverfügung soll damit dem gestellten Eintragungsantrag zum Erfolg verhelfen und dient zugleich der Rangwahrung des noch nicht erledigten Antrags gegenüber später eingehenden weiteren Eintragungsanträgen (§ 18 Abs. 2 GBO). Hier hält das Grundbuchamt, wie die Bezugnahme auf die zitierte Literaturstelle zeigt, gerade eine rechtsändernde, formbedürftige Erbteilsübertragung für erforderlich, um die beantragte Eintragung vornehmen zu können. Ein noch vorzunehmendes Rechtsgeschäft rechtsändernden Charakters kann jedoch aus den genannten Gründen nicht Gegenstand einer Zwischenverfügung sein.
Da die Beschwerde bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen Erfolg hat, kann der Senat nur ohne Präjudiz darauf hinweisen, dass die erhobene Beanstandung auch in der Sache unbegründet ist.
Die Eintragung im Wege der Grundbuchberichtigung erfolgt auf Antrag gem. § 22 Abs. 1 GBO, wenn alle Betroffenen die Eintragung formgerecht bewilligen (§§ 19, 29 GBO) oder die Unrichtigkeit des Grundbuchs nachgewiesen ist.
Neben dem ordnungsgemäß gestellten Antrag (§ 13 GBO) liegt auch eine dem § 19 GBO entsprechende Eintragungsbewilligung vor. Unter § 3 des Abschichtungsvertrages haben sämtliche Miterben die Bewilligung der Eintragung erklärt. Ob die Bewilligungserklärung neben dem ausscheidenden Miterben auch von den übrigen Miterben erteilt werden muss (vgl. hierzu: OLG Zweibrücken a.a.O.), kann deshalb dahinstehen. Die Erklärungen sind in der Form des § 29 GBO nachgewiesen, da die Unterschriften jeweils notariell beglaubigt wurden.
Wird die Grundbuchberichtigung aufgrund einer Bewilligung der Beteiligten zulässig beantragt, muss die Erklärung der Beteiligten sodann den Rechtsübergang außerhalb des Grundbuchs schlüssig darstellen.
Das ist der Fall, denn aufgrund des vorgelegten Abschichtungsvertrages vom 20.12.2012/ 10.01.2013 ist die Beteiligte zu 1) rechtswirksam aus der Erbengemeinschaft ausgeschieden.
Der von den Beteiligten geschlossen Abschichtungsvertrag unterliegt keinem Formerfordernis. Durch einen Abschichtungsvertrag scheidet ein Miterbe einvernehmlich, ggf. unter Vereinbarung einer Abfindung, aus der Erbengemeinschaft aus. Diese Vereinbarung stellt keine formgebundene Verfügung über den Erbteil im Sinne des § 2033 Abs. 1 S. 1 u. 2 BGB, sondern eine bloße Aufgabe der Mitgliedschaftsrechte in der Erbengemeinschaft dar. Es fehlt an der das Formerfordernis auslösenden Rechtsübertragung. Obwohl der Nachlass im Wesentlichen aus einem Grundstück besteht, ergibt sich ein Formerfordernis auch nicht aus § 311 b Abs. 1 BGB. Denn es liegt kein auf Übertragung oder Erwerb eines Grundstücks gerichtetes Verkehrsgeschäft im Sinne dieser Norm vor. Die Aufgabe der Mitgliedschaftsrechte bewirkt vielmehr, vergleichbar der Reglung des § 738 BGB, eine Anwachsung des Erbteils des Ausgeschiedenen bei den übrigen Miterben kraft Gesetzes (insgesamt: BGH, NJW 1998, 1557 f.; ebenso: LG Köln NJW 2003, 2993 f.). Einer Auflassung bedarf es also gerade nicht (OLG Zweibrücken FamRZ 2012, 1333 f.).
Der Senat folgt dieser Linie der Rechtsprechung. Mögen im wissenschaftlichen Diskurs gegen die genannte Grundsatzentscheidung des BGH auch beachtliche Argumente vorgetragen werden (etwa in dem vom Grundbuchamt herangezogenen Handbuch zum Grundbuchrecht von Schöner/ Stöber, 15. Aufl., Rdnr. 976b), so muss die Rechtsprechung darauf bedacht sein, die höchstrichterliche Entscheidung in der alltäglichen Praxis der Grundbuchämter umzusetzen, um im Interesse der Urkundsbeteiligten und der Beratungs- und Beurkundungspraxis der Notare eine einheitliche, inhaltlich verlässliche Handhabung der Grundbuchämter zu gewährleisten und gleichzeitig eine Verunsicherung zu vermeiden, die dadurch entsteht, dass ein einzelner Entscheidungsträger bei der alltäglichen Grundbuchpraxis seiner abweichenden persönlichen Auffassung den Vorrang einräumt und dadurch ein Rechtsmittel auslöst, das zu einer erheblichen Verzögerung der Erledigung des sachlichen Vorgangs führt.
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