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Spanisches Erbrecht
Deutsch-Spanische Erbfälle nach der EU-ErbVO | Von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Erbrecht Detlev Balg * Köln
Deutsch-Spanische Erbfälle nach der Europäischen Erbrechtsverordnung (EU-ErbVO)
Viele Deutsche verfügen in Spanien über Vermögen, d. h. insbesondere über Eigentum an Immobilien. Im Erbfall stellt sich daher die Frage, nach welcher Rechtsordnung der Nachlass hinsichtlich dieses spanischen Vermögens abgewickelt wird. Die gleiche Frage stellt sich, wenn ein in Deutschland lebender spanischer Staatsbürger verstirbt, der über Vermögen in Spanien verfügt.
Seit dem 17. August 2015 ist die Europäische Erbrechtsverordnung anzuwenden. Die Europäische Erbrechtsverordnung gilt in allen Staaten der Europäischen Union. Ausgenommen sind Irland, Großbritannien und Dänemark. Großbritannien ist dem Abkommen bereits während seiner Mitgliedschaft in der Europäischen Union nicht beigetreten.
In Deutschland und in Spanien ist somit auf Erbfälle nach dem 17. August 2015 die Europäische Erbrechtsverordnung anzuwenden. Die Frage, nach welchem Erbrecht Erbfälle abzuwickeln sind, ist folglich bei Deutsch-Spanischen und Spanisch-Deutschen Erbfällen nach den Vorschriften Europäischen Erbrechtsverordnung zu entscheiden.
Da die Europäische Erbrechtsverordnung seit dem 17. August 2015 Anwendung findet, geht dieser Artikel von der Anwendung der Europäischen Erbrechtsverordnung auf Deutsch-Spanische Erbfälle aus. Altfälle, d. h. Deutsch-Spanische Erbfälle, die vor dem 17. August 2015 eingetreten sind, sind folglich nicht Gegenstand dieses Beitrages und der übrigen Artikel zum spanischen Erbrecht auf unserer Seite. Angesichts der Tatsache, dass die Europäische Erbrechtsverordnung seit vielen Jahren in Kraft ist, spielen diese Altfälle in der Erbrechtspraxis auch kaum noch eine Rolle.
In diesem Artikel und den weiteren Beiträgen auf dieser Seite zum spanischen Erbrecht wollen wir erläutern, wie sich die Europäische Erbrechtsverordnung auf die Abwicklung Deutsch-Spanische Erbfälle auswirkt. Wir erläutern, unter welchen Bedingungen das deutsche Erbrecht oder das spanische Erbrecht auf die Abwicklung eines Erbfalls anzuwenden ist und wie sich das spanische Erbrecht vom deutschen Erbrecht unterscheidet.
Welches Erbrecht ist nach der Europäischen Erbrechtsverordnung grundsätzlich anzuwenden?
Die Frage, welches Erbrecht bei der Abwicklung eines Erbfalls bzw. Nachlasses zur Anwendung kommen soll, stellt sich nur, wenn hinsichtlich der Person des Erblassers oder seines Vermögens mehrere Staaten betroffen sind.
Die verschiedenen Rechtsordnungen der Staaten der EU haben diese Frage in der Vergangenheit unterschiedlich beantwortet. Zum Teil wurde auf die Staatsbürgerschaft des Erblassers abgestellt. Teilweise wurde die Frage nach dem Aufenthaltsort des Erblassers zum Zeitpunkt seines Todes beantwortet. In einer Reihe von Erbfällen war das anzuwendende Erbrecht davon abhängig, ob der Erbfall hinsichtlich des beweglichen Vermögens des Erblassers oder seines Immobilienvermögens geregelt werden musste.
Die EU-ErbVO stellt grundsätzlich auf die Frage ab, wo der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Das Erbrecht des Staates, in dem der Erblasser vor seinem Tod seinen letzten gewöhnlichen Aufenthaltsort hatte, ist auf den Erbfall und die Nachlassabwicklung anzuwenden. Dabei kommt es nicht darauf an, in welchen Staaten der EU der Erblasser Vermögen hinterlässt.
Hinsichtlich eines spanischen Staatsangehörigen, der vor dem Erbfall seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte, ist daher deutsches Erbrecht anzuwenden, unabhängig davon, ob sich das Vermögen des Erblassers in Deutschland und/oder Spanien befindet. Bezogen auf einen deutschen Staatsangehörigen, der vor dem Erbfall seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Spanien hatte, ergibt sich aus dieser Regelung der EU-ErbVO, dass spanisches Erbrecht Anwendung findet, unabhängig davon, ob sich das zum Nachlass gehörende Vermögen in Spanien und/oder Deutschland befindet.
Dieser Grundsatz wird nur durchbrochen, wenn der Erblasser vor dem Erbfall für sich die Wahl getroffen hat, dass sein Heimatrecht auf seinen Erbfall und die Abwicklung seines Nachlasses Anwendung finden soll.
Damit stellt sich die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine solche Rechtswahl möglich und sinnvoll ist.
Die Frage, in welchen Fällen die Rechtswahl zugunsten des eigenen Heimatrechtes sinnvoll ist, lässt sich nur im Einzelfall beantworten, wenn die Rechtsfolgen bedacht werden, die sich aus der Rechtswahl für den Erbfall und die gesamte Nachlassabwicklung ergeben. Die weiteren Ausführungen sollen es Ihnen ermöglichen, sich über die Folgen der Rechtswahl zu orientieren.
Wann ist eine Rechtswahl hinsichtlich des anzuwendenden Erbrechts nach der Europäischen Erbrechtsverordnung möglich?
Die Rechtswahl nach der Europäischen Erbrechtsverordnung kann nicht beliebig getroffen werden. Die Wahl ist beschränkt auf das Heimatrecht des Erblassers. Ein deutscher Staatsbürger, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Spanien hat, kann folglich nur eine Rechtswahl zugunsten des deutschen Erbrechts treffen. Er hat nicht die Möglichkeit, das Erbrecht eines beliebigen Staates der Europäischen Union zu wählen.
Nimmt ein deutscher Staatsbürger, der in Spanien seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, keine Rechtswahl zugunsten seines Heimatrechtes, d. h. dem deutschen Erbrecht, ist nach den Vorschriften der europäischen Erbrechtsverordnung der Erbfall und die gesamte Nachlassabwicklung nach spanischem Erbrecht vorzunehmen. Der Erblasser muss daher vor seinem Tod testamentarisch angeordnet haben, dass für seinen Erbfall deutsches Erbrecht zur Anwendung kommen soll, wenn der Erbfall nach deutschem Erbrecht geregelt werden soll, obwohl der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Spanien hatte.
Ein spanischer Staatsbürger der seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat, muss testamentarisch für sich das spanische Erbrecht wählen, wenn der Nachlass und der Erbfall nach seinem Tod nicht vollständig nach deutschem Erbrecht abgewickelt werden soll.
Hinsichtlich eines Erblassers, der keine Rechtswahl zugunsten seines Heimatrechtes getroffen hat, ist folglich immer das Erbrecht des europäischen Staates anzuwenden, in dem er vor seinem Tod seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte.
Wie wirkt sich das spanische Erbrecht auf das Pflichtteilsrecht aus?
Nimmt ein deutscher Staatsbürger, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Spanien hat, keine Rechtswahl zugunsten des deutschen Erbrechts vor, ist sein Erbfall und der Nachlass nach spanischem Erbrecht abzuwickeln. Damit entfällt für den Erbfall das deutsche Pflichtteilsrecht, da das spanische Erbrecht kein Pflichtteilsrecht kennt.
Will der Erblasser für seinen Erbfall Pflichtteilsansprüche vermeiden, könnte er aus diesem Grund die Rechtswahl zugunsten des deutschen Erbrechtes unterlassen. In diesem Fall muss aber bedacht werden, dass das spanische Erbrecht anstelle des Pflichtteilsrechtes das sogenannte Noterbrecht kennt. Dieses Noterbrecht garantiert einem bestimmten Kreis der Verwandten des Erblassers einen Mindestanteil an der Erbschaft. Die Noterben werden Erben des Erblassers und erhalten damit eine stärkere Stellung wie die Pflichtteilsberechtigten nach dem deutschen Erbrecht.
Welche Folgen hat das spanische Erbrecht für das Erbrecht des Ehegatten?
Deutsche Eheleute, die beide ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Spanien haben, müssen sorgsam abwägen, ob sie auf die Rechtswahl zugunsten des deutschen Rechts verzichten. Nach deutschem Erbrecht erlangt der überlebende Ehegatte im Wege der gesetzlichen Erbfolge die Hälfte des Nachlasses des verstorbenen Ehegatten.
Nach spanischem Recht erhält der überlebende Ehegatte lediglich den Nießbrauch an einem Teil des Nachlasses des vorverstorbenen Ehepartners. Wirtschaftlich wird die Rechtsstellung des Ehegatten am Nachlass nach deutschem Erbrecht regelmäßig stärker ausfallen, als das Nießbrauchsrecht nach spanischem Erbrecht.
Unter dem Gesichtspunkt der Absicherung des überlebenden Ehegatten sollte daher die Rechtswahl zugunsten des deutschen Erbrechtes erwogen werden.
Wie unterscheidet sich die gesetzliche Erbfolge nach spanischem Erbrecht vom deutschen Erbrecht?
Sowohl das deutsche Erbrecht als auch das spanische Erbrecht kennen eine gesetzliche Erbfolge. Die diesbezüglichen Unterschiede zwischen beiden Rechtsordnungen liegen im Detail.
Hinsichtlich der Einzelheiten der gesetzlichen Erbfolge nach spanischem Erbrecht verweisen wir auf unseren diesbezüglichen Beitrag auf unserer Internetseite. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Unterschiede dieser Stelle nicht weiter eingegangen.
Kennt das spanische Erbrecht die Erbengemeinschaft?
Hinterlässt der Erblasser mehrere Erben, entsteht auch nach spanischem Erbrecht eine Erbengemeinschaft.
Die Vorschriften zur Verwaltung des Nachlasses durch die Erbengemeinschaft und hinsichtlich der Verfügungen über den Nachlass durch die Erbengemeinschaft entsprechen in weiten Teilen den Regelungen im deutschen Erbrecht. Auch hier liegen die Unterschiede im Detail. Diese Unterschiede können Sie ebenfalls einem speziellen Beitrag entnehmen, den wir auf dieser Internetseite zum spanischen Erbrecht veröffentlicht haben. Wir verzichten daher darauf, diese Unterschiede an dieser Stelle darzustellen.
Ist nach spanischem Erbrecht eine Testamentsvollstreckung möglich?
Nach deutschem Erbrecht kann der Erblasser die Testamentsvollstreckung anordnen. Die Aufgabe des Testamentsvollstreckers besteht regelmäßig darin, den Nachlass auseinanderzusetzen und/oder für eine gewisse Zeit ganz oder teilweise zu verwalten. Der Erblasser kann damit durch die Anordnung der Testamentsvollstreckung erheblichen Einfluss auf die Erbauseinandersetzung und Nachlassabwicklung nehmen.
Auch das spanische Erbrecht sieht die Möglichkeit vor, einen Testamentsvollstrecker zu bestimmen. Allerdings sind die Kompetenzen des Testamentsvollstreckers nach spanischem Erbrecht geringer, als nach deutschem Erbrecht. Eine Dauertestamentsvollstreckung ist nach spanischem Erbrecht nicht vorgesehen. Ebenso wenig ist der Testamentsvollstrecker nach spanischem Erbrecht befugt, über den Nachlass zu verfügen.
Angesichts der beschränkten Kompetenzen des Testamentsvollstreckers nach spanischem Recht ist zu überlegen, zu Gunsten des deutschen Erbrechts eine Rechtswahl zu treffen, wenn zur Sicherstellung der Umsetzung des letzten Willens des Erblassers oder zur Vermeidung von Streitigkeiten zwischen den Miterben ein Testamentsvollstrecker ernannt werden soll.
Auch hinsichtlich der Einzelheiten des spanischen Erbrechts bezüglich der Testamentsvollstreckung haben wir einen eigenen Beitrag auf dieser Internetseite veröffentlicht. Hinsichtlich der Einzelheiten der spanischen Testamentsvollstreckung verweisen wir daher auf diesen Beitrag.
Kennt das spanische Erbrecht eine testamentarische Erbfolge?
Auch nach spanischem Erbrecht kann der Erblasser durch testamentarische Anordnung die Erbfolge bestimmen. Da das spanische Erbrecht aber das sogenannte Noterbrecht kennt, sind die testamentarischen Gestaltungsmöglichkeiten für den Erblasser bei der Bestimmung der Erbfolge geringer als nach deutschem Erbrecht. Auch dies ist bei der Rechtswahl zu bedenken.
Weiter sind nach dem sogenannten „gemeinen spanischem Recht“ Erbverträge und gemeinschaftliche Testamente, d. h. Ehegattentestamente unzulässig. Für die einzelnen zu Spanien gehörenden Regionen kann sich aus den sogenannten Foralrechten allerdings etwas anderes ergeben.
Auch hinsichtlich der Regelung der Erbfolge durch Testamente im spanischen Recht haben wir einen speziellen Beitrag veröffentlicht. Die Einzelheiten zu den Besonderheiten der testamentarischen Erbfolge im spanischen Erbrecht können Sie diesen Beitrag entnehmen.
Wie ist die Annahme bzw. Ausschlagung der Erbschaft nach spanischem Erbrecht geregelt?
Die Annahme und die Ausschlagung einer Erbschaft sind im spanischen Erbrecht und im deutschen Erbrecht grundsätzlich unterschiedlich geregelt.
Nach deutschem Erbrecht tritt die Erbfolge ein, wenn der Erbe innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Kenntnis vom Erbfall die Erbschaft nicht ausdrücklich ausgeschlagen hat. Im spanischen Erbrecht hingegen muss die Erbschaft angenommen werden. Diese Annahmeerklärung entfällt, wenn zugunsten des deutschen Erbrechts die Rechtswahl getroffen wird.
In diesem Zusammenhang ist aber darauf hinzuweisen, dass die Annahmeerklärung nach spanischem Recht keine Frist kennt. Ein in Deutschland wohnhafter Erbe kann die Erklärung der Annahme der spanischen Erbschaft auch gegenüber einem deutschen Nachlassgericht wirksam abgeben.
Wir dürfen bezogen auf die Einzelheiten der Annahme und Ausschlagung einer Erbschaft nach spanischem Recht auf unseren diesbezüglichen Beitrag verweisen, den wir ebenfalls auf unserer Internetseite veröffentlich haben.
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